Pressemitteilung
6.12.2024. Seit Wochen protestieren Pflegekräfte, Heimbetreiber und Angehörige in Niedersachsen mit den Betroffenen gegen die Abschiebungen kolumbianischer Mitarbeitender. Da diese ein Drittel der Belegschaft stellen, würde deren Abschiebung das Aus für das Pflegeheim in niedersächsischen Wilstedt bedeuten. Nun schaltet sich Bundesgesundheitsmininster Karl Lauterbach ein und zeigt Verständnis für den Notstand im Spannungsfeld zwischen Pflege und Asylrecht. Am 11.12.2024 wird er die Petition im Ministerium in Berlin entgegennehmen.
Über 75.000 Menschen haben die Petition auf innn.it „Stoppt die Abschiebung der Pfleger im Haus Wilstedt! Rettet das Zuhause unserer demenzerkrankten Mütter, Väter & Ehepartner!“ inzwischen unterzeichnet. Sie ist unter dem Link https://innn.it/zuhauseretten abrufbar und die Angehörigen rufen weiter dazu auf, zu unterschreiben. Ein Gespräch mit den Staatssekretären Dr. Christine Arbogast und Stephan Manke im niedersächsischen Innenministerium verlief am 28. November ergebnislos. Sie verwiesen auf die Bundesebene.
Nun will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die Petition zur Rettung des Pflegeheims im Bundesministerium für Gesundheit offiziell entgegennehmen. „Ich habe von diesem Fall bisher noch nie gehört und werde mich aber kümmern“, hatte der Bundesgesundheitsminister auf der Plattform „X“ (früher Twitter) geschrieben. „Wir hätten Karl Lauterbach sehr gern unser Pflegeheim in Wilstedt gezeigt, damit er sich selbst einen Eindruck verschafft, wie sehr die kolumbianischen Pflegekräfte für unsere Bewohnerinnen und Bewohner da sind“, so Heimbetreiber Tino Wohlmacher. „Wir kommen aber auch nach Berlin – hoffentlich hat Karl Lauterbach eine Lösung für uns gefunden. Kurz nach dem Termin haben wir Mitarbeiterweihnachtsfeier, ich möchte wissen, was ich da verkünden kann.“
Heimbetreiber und Angehörige zeigen sich erleichtert, dass sich der Bundesgesundheitsminister der Problematik zugewendet hat. Zuletzt hatte sich die Initiative mit der Bitte nach Unterstützung an die niedersächsische Landesregierung gewendet. Hier war allerdings nur auf zuständige Arbeitsagenturen verwiesen worden. „Im Innenministerium fand man es richtig, dass die Petition an den Bund übergeben wird”, so Anne Weiss. „Ausgehend von unserem Fall in Wilstedt scheint es insgesamt für die Zukunft der Pflege und den zukünftigen Pflegenotstand in Niedersachsen offenbar keine Konzepte, keine Ideen zu geben. Aber genau diese Ideen müssen doch entwickelt werden.“
„Wir waren nach dem Termin sehr verzweifelt. Der Schwebezustand ängstigt jeden im Pflegeheim – wir brauchen einen Ausweg“, so Tino Wohlmacher. „Nun setzen wir unsere Hoffnung auf den Termin mit Karl Lauterbach. Es braucht jemanden, der entschlossen zupackt, und das traue ich unserem Bundesgesundheitsminister zu. Sonst bleibt uns nur die Härtefallkommission – und da wird einzeln entschieden, das ist für jeden Betroffenen beklemmend. Und für uns als Heim ist es eine weitere lange Hängepartie.“ Wohlmacher will die niedersächsische Landesregierung jedoch nicht aus der Verantwortung lassen: „Es wäre angemessen, wenn Ministerpräsident Stephan Weil, Ministerin Behrens und Minister Dr. Philippi bei dem Termin mit Professor Dr. Lauterbach ebenfalls dabei sind.“
Der Pflegenotstand betrifft alle und damit alle politischen Ebenen von Bund über Land hinein in die Kommunen. „Wir wünschen uns auch von der niedersächsischen Landesregierung noch ein echtes Signal, dass sie sich für die Menschen und Unternehmen in ihrem Bundesland einsetzt“, sagt auch Anne Weiss. „Letztlich zahlen die Betroffenen in ihrem Bundesland auch Steuern und können das erwarten.“ Die Gruppe der kolumbianischen Einwanderer in Niedersachsen beträgt rund 6.000 Personen und Schicksale, zudem kommt laut Pflegereport 2030 der Bertelsmann-Stiftung gerade auf das Land Niedersachsen ein massiver Engpass in der Pflege entgegen, der aus Fachkräftemangel und demographischem Wandel resultiert: Nicht nur kommen die Babyboomer-Jahrgänge ins Alter, sodass hier mehr Menschen Pflege benötigen – viele Pflegekräfte gehen in den nächsten Jahren in Rente, es gibt insgesamt zu wenige Arbeitskräfte in diesem Bereich. „Hier wurde in der Vergangenheit auf Bundes- und auch auf Landesebene einiges versäumt“, sagt Anne Weiss von der Angehörigeninitiative: „Es geht hier um die Zukunft der kolumbianischen Pflegekräfte, aber auch um die Zukunft der Pflege.“
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